(Der Autor mit 34 Jahren, Zigarette und deutlichem Übergewicht)
21. 5. 2014
Ganze Gesellschaften süchtig und dauererregt – wie kann das der Normalfall sein?
Ich weiß, dieser Titel hört sich ziemlich überzogen an. Dennoch weist er in polarisierender bzw. überspitzter Form auf ein zentrales gesellschaftliches Problem hin, das in absehbarer Zeit nach
einer Lösung hin zu Sinnvollerem geradezu ruft.
Meine persönliche Geschichte mit einer multiplen Suchtausprägung – in Verbindung mit zunehmenden 'Zivilisationskrankheiten' als eine Art von Normalfall in meiner eigenen Lebensgesellschaft
animieren mich zu dieser Arbeit. Sucht ist inmitten der Geselschaft in allen Bevölkerungsschichten angekommen.
Um es vorwegzuschicken: Im gesellschaftlichen Sinne war ich wohl 'unauffällig', denn ich konnte damit meinen beruflichen Aufgaben nachkommen, auch denen als Familienvater und ebenso am
gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Andere hätten mich demnach nicht als süchtig bezeichnet - wie auch ich selbst bis etwa vor 20 Jahren nicht. Warum ist man hierzulande so blind gegenüber
Suchtverhalten, warum so ignorant bzw. mit einer rosaroten Brille auf der Nase - sich selbst und anderen gegenüber?
Sucht gilt offiziell einerseits als Krankheitsbild, gilt aber allgemein auch oft als 'peinlich'; man spricht nicht über 'so etwas'. Gleichzeitig habe ich im Laufe der vergangenen 20 Jahre
zunehmend beobachtet, dass Sucht in meinem Kulturkreis etwas ganz Allgemeines und scheinbar Normales geworden ist. Sie ist gesellschaftsfähig geworden – nur herrscht gleichzeitig stillschweigende
Übereinkunft darüber, dass man dieses Thema maximal oberflächlich streift, indem man bestenfalls von 'Schwächen' spricht.
Aber die eigene Suchtverstrickung in vollem Umfang erkennen und eingestehen oder dies auch mit anderen in der Tiefe anzugehen, das kommt nicht in Frage. So etwas 'schickt sich nicht'.
Sucht gilt als Privatsache wie Religion; das geht nach allgemeiner Denkart niemanden etwas an. Was läuft da ab?
Beginne ich mit ganz Unverfänglichem: Jeder will sich sicher gerne wohl fühlen. Das Erleben angenehmer Sensationen ist als elementarer Wunsch sicher nicht nur in jedem Menschen angelegt, sondern
auch zumindest in höher entwickelten Säugetieren. Doch warum nicht auch in anderen Lebewesen, die ebenfalls über Mechanismen verfügen müssen, die ihnen Rückmeldungen über eigene Zustände,
Situationen oder Resultate geben?
Solche Anlagen sind biologisch ausgesprochen sinnvoll – stellen sie doch eine Art Meldesystem dar, das (zumindest kurzfristig) Informationen darüber gibt, ob einzelne Regionen des Organismus oder
dessen Gesamtsituation in seiner Umgebung bzw. Zeit passend und damit 'richtig' oder aber unpassend und damit 'falsch' sind. Dies geht einher mit Gefühlseindrücken (ich spreche lieber von
Sensationen im Sinne davon, dass Sensoren eine Sinneswahrnehmung empfangen), die entweder als negativ, neutral oder positiv erlebt werden.
Dieses natürliche Rückmeldungssystem ist ausgesprochen überlebenswichtig, denn ohne es würden wir weder Kälte noch Wärme, weder Verletzung noch Schmerz, weder Müdigkeit noch Krankheit, weder
Gefahr noch Herabwürdigung bemerken und uns dazu passend einstellen bzw. verhalten können. (Die gesamte emotionale Palette mit Euphorie über Aggression bis hin zur Depression als
'Extremreaktionen' gehören ebenso in den Bereich dieses Meldesystems.)
(als schlechtes Ernährungsvorbild am Strand - aber es ist ja sooo praktisch!)
Genau dieses natürliche innere Rückmeldungssystem wird in unseren 'reichen' westlichen Industriegesellschaften systematisch manipuliert und dadurch automatisch auch korrumpiert.
Jeder mag einwenden, dass doch 'illegale Drogen' gerade bei uns aufwändig und systematisch bekämpft werden; dem will ich nicht widersprechen.
Wir haben jedoch, parallel zu diesen verbotenen Stoffen, in unseren Gesellschaften eine ganze Palette von psychogen wirkenden Substanzen nicht nur legalisiert - sie waren niemals verboten -
sondern deren Anwendung im Alltag systematisch ausgeweitet, so dass sie überhaupt erst eine allgemeine Suchtwirkung aufbauen konnten. Sie finden sich in fast allem, was wir im Laufe eines ganz
normalen Tages essen und trinken – in unseren alltäglichen Lebensmitteln mithin. Noch klarer, sicher nur etwas überspitzt, lässt sich sagen:
Suchtmittel sind zu unseren Grundnahrungsmitteln geworden - unsere einstmals sinnvollen Grundnahrungsmittel wurden systematisch so modifiziert, dass sie gleichzeitig satt machen und unsere
Stimmungen 'aufhellen'. Dies gilt heute für einen überwiegenden Teil der heute an Endverbraucher verkauften Lebensmittel.
Wozu also überhaupt zur Nadel greifen, wo es doch auf andere Weise viel einfacher, billiger und dazu noch mit gesellschaftlicher Duldung, ja Anerkennung als 'normal' geht? In einer gewissen Weise
süchtig zu sein ist in den Augen der Allgeneinheit weitestgehend o. k..
Hier wird mir eine breite Mehrheit erneut widersprechen und einwenden, man sei doch kein Süchtiger! Gerade denen trete ich jedoch entschlossen entgegen. Dies ist schließlich mein
Antrieb, diesen Artikel überhaupt zu verfassen, obwohl er gegen den allgemeinen Commonsense verstößt, über dieses 'anstößige' Thema nicht zu sprechen. Was wird da so gerne verborgen und
wie?
Vor allem auf die zweite Frage lässt sich leicht antworten. Man verbirgt Sucht bei uns einfach dadurch, dass man sie in den Bereich der Medizin abschiebt; es muss erst ein krankhafter Befund
vorliegen. Dies findest du in der Wikipedia allerdings nur indirekt, wenn du dort unter 'Sucht' nachsuchst. Du wirdst automatisch zu 'Abhängigkeit' weitergeleitet - versehen mit dem Zusatz
'Medizin'.
Alles was also nicht einen ärztlichen oder klinischen (also einen professionellen) Befund vorweisen kann, ist demnach keine Sucht. Haben wir doch alle ein Glück, solange wir uns von diesen
Stellen fernhalten und von dort also diesen Stempel nicht aufgedrückt bekommen haben! (Bitte nicht ernst nehmen!)
Aber mir diesem einfachen Trick lässt sich unsere beliebige
allgegenwärtige Alltagssucht jedweder Art schon wieder ignorieren; es hat ja zum Glück kein Profi 'bemerkt'...
Das klassische Suchtproblem im deutschen Alltag lässt sich besonders leicht am Beispiel alkoholischer Getränke zeigen, um deren gefährliche Rolle sicher jeder weiß:
In der Aufnahme von Alkohol gehören Deutsche und Österreich mit zu den Spitzenkonsumenten weltweit. Pro Person über 15 Jahren werden jährlich an reinem Ethanol 12,8 bzw. 13,2 Liter eingenommen.
Das entspricht 36 Milliliter bzw. fast zwei Schnapsgläsern reinem Alkohol an jedem Tag des Jahres!
Bereits ein kurzer Überblick in der Wikipedia zum Stichwort 'Alkoholkonsum' macht deutlich, dass bei solchen Mengen auf lange Zeit gesehen bleibende organische Veränderungen – auch des
Stoffwechsels – entstehen. (Merkwürdig, dass hier kein Arzt und keine Klinik medienwirksam die Diagnose 'Volks-Sucht' stellt! Fürchtet man womöglich juristische Attacken aus entsprechenden
Lobby-Bereichen?)
Als süchtig im gesellschaftlichen Sinne gilt nur der, der auch sozial 'auffällig' wird. Ihn schickt man dann auch zum 'Spezialisten', damit dieser dann die Diagnose eines krankhaften Zustandes
stellt. Alle anderen gelten solange als 'normal' wie ihnen dieses nicht durch Ausfälle, Missgeschicke, Unfälle und dergleichen widerfährt.
Man 'funktioniert' im Alltag als Dauer-Durchschnittskonsument von Alkohol mit Sicherheit anders, man 'tickt' anders als Menschen, bei denen diese Gesellschaftsdroge nicht zum Alltag gehört. Es
sind bei weitem nicht nur die Vergiftungen von Komatrinkern und die Leberzirrhosen von Daueralkoholikern, die als 'böse' Folgen des Alkoholkonsums anzusehen sind. Veränderungen im Nervensystem
und im Gehirn sind es vor allem, die die Wahrnehmung der Alkohol Trinkenden nach und nach beeinträchtigen. Sie wird 'schmaler', 'enger' – auf jeden Fall weniger differenziert bzw. genau. Die
Selbstwahrnehmung, der Kontakt zum eigenen Inneren, zu Seele und Geist, wird im wahrsten Sinne des Wortes behindert. Das gilt in gleicher Weise für die Außenwahrnehmung: Mitgefühl, Toleranz,
soziale Kooperationsfähigkeiten werden ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen.
Wenn Dauereinnahme von Alkohol organische bzw. nervliche Veränderungen verursacht, die die eigenen Wahrnehmungsfähigkeiten und damit auch die persönlichen wie auch sozialen Möglichkeiten
einschränken, so gilt dies zumindest im Ansatz auch für andere Suchtformen - vor allem für die stofflichen, die mit der Aufnahme über Essen und Trinken verbunden sind.
Auf nichtstoffliche Süchte wie z. B. die nach Spielerfolg, Fanwesen, Sexualisierung, Körperkult, Geiz, (Vor-)Machtstellung, öffentliche Geltung, Geldbesitz will ich andieser Stelle noch nicht
einmal eingehen. Doch auch sie binden viel Energie und Zeit, die für Wesentliches im Lebensalltag zwangsläufig fehlen muss.
(im Urlaub mal eine feine Sache - als Regelfall ein Ernährungsdesaster: Fastfood unterwegs)
Es geht in diesem Artikel jedoch nicht in erster Linie um Alkoholismus, Drogenabhängigkeit oder Nikotinsucht, die uns als vordergründige Reizthemen rund um Suchtverhalten gegenwärtig sind:
Auch die relativ wenigen Alkohol-Abstinenzler sind damit keineswegs aus meinem Suchtfokus. Denn für sie bleibt noch eine weitaus größere Palette an Alltagsdrogen. Sie
werden eben nur nicht als solche bezeichnet; es herrscht eine stillschweigende Übereinkunft darüber, die gleich folgenden Dinge entweder als Lebensmittel, Süßigkeiten oder als Genussmittel zu
bezeichnen.
Die Bezeichnung 'Genussmittel' ist insofern ehrlich, als sie deutlich macht, was dieses Mittel bewirkt: Es stellt sich eine Sensation von 'Genuss' ein – gemeint ist eine Art von Wahrnehmung, die
angenehm, anregend, stimulierend ist und auf diese Weise eine vorher als weniger gut erlebte Grundstimmung umformt bzw. durch eine 'stärkere', 'lautere' überdeckt.
Doch wenn es sich dabei um Lebensmittel handelt, dann stellt sich rasch die Frage, wozu dieses überhaupt die eigene Grundstimmung stark verändern sollte. Soll es nicht in erster Linie
sättigen, wichtige Nährstoffe, Vitamine und Spurenelemente ersetzen, die der Organismus benötigt? Wozu dann auch noch diese zusätzliche Verzerrung des Wahrnehmungssystems?
Ja wodurch denn, mögen die meisten fragen, als ob sie davon noch nie etwas bemerkt hätten. Frühstücksmüsli, süße Riegel, aber auch salzige (z. B. 'Bifi') – die berühmten
'Pausen-Snacks - , gebratenes Fleisch, Geräuchertes, Brathähnchen, Pommes Frites, Reibekuchen. Wir sind mitten in der 'gutbürgerlichen Küche' angekommen. Doch dazu kommen nicht zuletzt
auch Kartoffelchips, gesalzene und geröstete Nüsse, Schokolade, Kuchen, Plätzchen, Bonbons, Kaubonbons und nicht zu vergessen Getränke: Cola, Limo, Fruchtsäfte – nicht zu vergessen auch
Kaffee, schwarzer Tee und nikotinhaltige Tabakwaren.
Alles ohne Alkohol oder illegale Drogen, aber dennoch mit deutlicher psychogener Wirkung. Da alle diese Dinge einen nicht unerheblichen Anteil an der alltäglichen
Nahrungsaufnahme der weitaus überwiegenden Zahl von Menschen in den 'reichen' Industrienationen ausmachen, ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine massenhafte, ja allgemeine
Wahrnehmungsmanipulation in diesem Bereich 'normal' ist – als normal gilt. Die meisten 'finden nichts dabei'; alles andere fänden sie dagegen spießig, langweilig, 'uncool'.
Alles unsere Psyche in eine positive Richtung hin Manipulierende ruft naturgemäß leicht nach Wiederholung und dies auf die Dauer zunehmend – damit entsteht ein ganz gewöhnliches
Suchtmuster: sich die Welt und den oft frustrierenden Alltag schön zu essen und zu trinken.
Ich will das System einfach skizzieren:
Die Hauptzutaten in einem beliegig variierbaren Mix von Grundstoffen und Verarbeitungsverfahren sind Zucker (vor allem die Chemikalie Industriezucker), Weißmehl, Fett, Salz sowie Braten, Grillen,
Räuchern, Backen und Rösten.
Industriezucker, Weißmehl und Fett bilden meist die Grundsubstanz bzw. Hauptmasse. Schnell aufnehmbare Nahrung bedeutet in konzentrierter Form etwas, was in der Frühzeit des Menschen selten und
kostbar war. Darum hat die Evolution unsere Wahrnehmungsorgane darauf programmiert, diese 'Juwelen der Natur' auch als besonders zu erleben. Dies findet in unserem Gehirn statt, wo unter anderem
Opiate gebildet und ausgeschüttet werden, wenn solche Nahrung aufgenommen wird. „Hau rein, was nur geht“, lautet der innere Befehl, „wer weiß, wann es wieder so etwas Gutes gibt! Sorge vor für
schlechtere Zeiten!“ So in etwa lautet unser evolutionäres Grundprogramm in Bezug auf diese Nährstoffe.
Ein Blick in die heutige Zeit lehrt, dass Weißmehl, Zucker und Fett bis zum Abwinken zu jeder Zeit und an jedem Ort leicht und billig verfügbar sind – also genau das Gegenteil der ursprünglichen
Situation, als unser Körper sich entwickelte. In einer solchen Lage wirkt sich unser natürlicher innerer 'Fressbefehl' kontraproduktiv aus, denn schon nach wenigen Stunden steht uns das nächste
'Festmahl' bevor. Und wenige Stunden später noch eines und so weiter und so fort.
Verfeinert oder perfektioniert wird diese allgemeine alltägliche Fressorgie durch den natürlichen Geschmacksverstärker Salz sowie durch Erhitzungsverfahren, bei denen wiederum psychogene
Substanzen entstehen. Selbst so unverfängliche Dinge wie Samen und Fleisch kommen so drogenwirksam daher.
Alles dies ist hierzulande tagtäglich leicht zu haben, in tausenderlei Variationen. Verführerische Düfte von heißen Ölbädern für Süßes oder Herzhaftes, von Backwaren, Gegrilltem oder Geräuchertem
begegnen uns allerorten, wo viele Menschen unterwegs sind. Jeder weiß aus eigener Erfahrung, welche magnetische Wirkung von diesen Düften ausgeht. Wenn der Verstand nicht dagegenhält, dann dauert
es nicht lange und wir finden uns mit offenem Portemonnaie an einem dieser verführerischen Orte wieder – kurze Zeit später das Erstandene mit Heißhunger in uns packend.
Da alles dies als normal gilt und in unseren Breiten allerorten so angeboten wird, greift die überwiegende Mehrzahl an diesen Orten tagtäglich zu: Supermärkten, Schnellimbissen, Kantinen,
Restaurants, auf Besuch und nicht zuletzt im eigenen Zuhause.
Gleichzeitig beklagen wir in unseren Breiten eine hohe Krankenrate, typische körperliche und seelische Beschwerden – nicht zuletzt ohne Einfluss von gefährlichen Kleinstlebewesen verursachte so
genannte chronische oder als unheilbar geltende 'Zivilisationskrankheiten'. Es ist kein Geheimnis, dass selbst die Schulmedizin – selbst ein massenhafter Anwender zweifelhafter Heilverfahren (ich
will diese Feststellung hier nicht vertiefen und verweise bei Interesse auf frühere Blogs zu dem Thema Gesundheit) – die oben skizzierte Ernährung als Fehlernährung bezeichnet und sie als
wesentliche Ursache dieser Geißeln unserer westlichen Welt ausgemacht hat.
Man mag sich fragen: Sind wir Menschen von Natur aus so dumm, dass wir ganz von selbst in solche Ernährungsfallen tappen – gleich einem Schlafwandler, der zielsicher den Weg zum Mond aufsuchen
will? Leider ja, denn unsere natürlichen Funktionsmechanismen wurden und werden von großen Konzernen aufwändig wissenschaftlich erforscht, um sie sich kommerziell nutzbar zu machen - mit
durchschlagendem Erfolg.
Noch vor 200 Jahren waren die Bedingungen für eine solche Fehlernährung nicht gegeben; bis zu dieser Zeit waren nährstoffreiche Nahrungsmittel eher die Ausnahme als die Regel. Es galten also noch
die Grundsätze, auf die wir Menschen evolutionär programmiert oder geeicht sind.
Der Wandel geschah mit der Industrialisierung, die auch eine Veränderung der Landwirtschaft wie auch der Verarbeitung von Lebensmitteln mit sich brachte. Die Entwicklung von Maschinen ist eine
hochkomplexe, willentliche und organisatorische Sache – in der Regel gepaart mit großem Kapitaleinsatz. Sie folgt automatisch der Logik von gewinnorientiertem Denken, ohne das Risikokapital nicht
vergeben wird.
Dies zieht es wiederum automatisch nach sich, dass sich solche Geräte, Rohstoffe, Verarbeitungsverfahren und Vertriebswege durchsetzen, die einen maximalen Absatz und einen maximalen Gewinn
erwarten lassen – alles gut kalkuliert, wenn auch nicht völlig risikofrei.
Auf diese Weise kam es, sicher ist dies sehr stark vereinfacht beschrieben, innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne von weniger als 10 Generationen zu dem bekannten Ernährungswandel, der
hierzulande allgemein als Normalfall gilt. Von ernsthaften Gesundheitsexperten wird darum auch als einfache Gegenmaßnahme empfohlen: „Iss nichts, was nicht auch von deiner Großmutter
als Lebensmittel erkannt worden wäre!“ Wer nur 100 Jahre zurück schaut, findet dort im Lebensalltag der gewöhnlichen Leute nicht viel der heute völlig denaturierten Lebensmittel. Die heute
üblichen Altersleiden findet man dort ebenso kaum.
Das Argument, man werde heute doch viel älter als damals, mag ich an dieser Stelle nicht gelten lassen: Die medizinische Versorgung hat heute ein gewaltiges Ausmaß gewonnen – immerhin werden etwa
20% der Bruttoeinkommen für den Gesundheitsapparat und die Alterspflege automatisch abgeführt – von Arbeitgebern wie auch Arbeitnehmern. Sollte es da noch verwundern, wenn man mit so gewaltigen
Mitteln immerhin in der Lage ist, zumindest den minimalen Erhalt einer körperlichen Grundfunktion aufrecht zu erhalten, damit ein allgemeiner organischer Zusammenbruch in eine spätere Zukunft
verschoben wird als noch vor 100 Jahren? Dies erscheint mir bei derart hohem Aufwand nicht gerade als eine besonders beeindruckende Leistung. Dieser Altersgewinn an Jahren ist durchaus teuer
erkauft. Ob immer mit einer befriedigenden Lebensqualität, ist angesichts der grassierenden Altersleiden auch mitunter in Zweifel zu ziehen. Wie viele griesgrämige, zänkische, ängstliche,
gleichgültige und unzufriedene Menschen sind dabei!
Es geht hierbei vor allem auch um ein Umverteilungssystem, das hoch ausgebildeten Fachkräften nebst einem kapitalkräftig gestütztem Apparatewesen nebst ambulanten wie auch stationären
Krankenanstalten den Zugriff auf die hunderte Milliarden schweren 'Gesundheitstöpfe' ermöglicht. Auch das 'Gesundheitswesen' ist in hohem Maße industrialisiert. Wer dem widersprechen will, den
frage ich: „Warum haben dann heute die Ärzte so wenig Zeit für Beratungsgespräche und einfühlsame Untersuchungen am Körper ihrer Patienten?“ Dies wird, weil nicht im Kapitalinteresse, nur mit
geringen Sätzen bezahlt – ganz im Gegensatz dazu, wenn teure Gerätschaften für Untersuchungen zum Einsatz kommen, die mit hohem Kapitaleinsatz entwickelt, gebaut und vertrieben werden.
Es sei mit Nachdruck erwähnt, dass ich hier keine Ärzte-Schelte betreiben will. Der gleiche Umverteilungsmechanismus wirkt ebenso in der gesamten Privatwirtschaft, ja selbst im öffentlichen
Dienst.
("Vorsicht! Sie gefährden Menschenleben! - Vorsicht! Sie gefährden Ihr Portemonnaie!":
Für Mitmenschen und Natur empfinden wir - gut auf das programmiert, was sich rechnet - eher weniger Verantwortung als für unsere eigenen Finanzen. - ausgeschnittene Karikatur aus der
Rheinischen Post 1995)
Damit komme ich zu einem neuen Punkt, der scheinbar mit dem Thema Volkssucht nichts zu tun hat: Das Bestehen von Hierarchien in Firmen und Gesellschaft bringt es scheinbar automatisch mit sich,
dass immer wieder Menschen mit ihren Ansprüchen und Erwartungen zurückstecken müssen. Dies bringt ein gewisses, nicht unerhebliches Frustrationspotential mit sich. Dieses wiederum dürfte in hohem
Maße mit daran beteiligt sein, wenn auf Menschen in übergeordneten Positionen in Wirtschaft, Verwaltung, Politik etc. sehr viel an Erwartungen und Verantwortung abgewälzt wird – oft mehr, als es
der Sache nach angemessen wäre.
Als 'Entschädigung' für vermeintliche 'Zurückstellung' oder Minder-Wertschätzung wird ein unverhältnismäßiger Erwartungsdruck entwickelt, aus dem eine zu geringe Unterstützung, Solidarität und
Kooperation mit solchen 'übergeordneten' Menschen resultiert. Umgekehrt erwecken viele Aspiranten auf solche Positionen durch forsche Versprechungen auch solche Fehlerwartungen, wodurch man
solche Leute auch gerne nach oben 'weglobt'. Das Resultat ist das Gleiche.
Die in höheren Positionen Stehenden leben stets in der Versuchung, sich als Funktionär ihrer Position zu betrachten und diese formal zu erfüllen. Dies ist der einfache Weg, auf den man sich im
Falle von Misserfolg bzw. Unzufriedenheit (z. B. von Kunden oder Untergebenen) leicht zurückziehen kann. „Ich würde ja gerne, aber da kann man halt nichts machen. Die Dinge sind nun einmal so,
wie sie sind, so leid mir das tut. Ich bin dafür leider nicht verantwortlich.“
Was das mit Volkssucht zu tun hat? Sehr viel:
Da sind einerseits die vielen 'kleinen Leute', die auch gerne über das verfügen würden wie die ihnen 'vorgesetzten' Menschen. Da sind andererseits diejenigen, auf die ein erhöhter Druck durch
Aufgabenhäufung ausgeübt wird, was letztlich auch nicht Zufriedenheit und Gesundheit fördern kann.
Von weiter 'oben her' ist das strikte Interesse an Gewinnmaximierung das oberste Ziel; von ganz 'unten her' besteht das Streben danach, es den 'Bessergestellten' gleich tun zu können – zumindest
auf der Ebene des Konsums. Letzteres liefert den ersteren gleichzeitig ein gutes Druckmittel, um höhere Arbeitsleistung einfordern zu können.
Auf der Ebene der Kapitalfinanzierung, die unsere Volkswirtschaften in äußerst hohem Maße durchdringt und bedrängt, besteht als oberstes Interesse einfach ein Mehr an Geldertrag und an
Machtmöglichkeiten.
Auf der 'niederen' Ebene des Konsums besteht in hohem Maße das Bestreben, sich möglichst viel 'leisten', gönnen und somit sehr günstig erwerben zu können.
Dieses 'niedere' Bestreben macht sich das Finanzwesen sowie die mit ihm eng kooperierenden 'Verantwortlichen' in Wirtschaft, Verwaltung und Politik zunutze. Sie suchen nach Möglichkeiten,
schnell und leicht Zugang zu den Mitteln der 'einfachen Leute' zu finden, indem sie deren wirtschaftliches 'Suchen' (fehlgeleitete Suche = Sucht) 'unterstützen'.
Auf diese Weise ist es heute materiell schwach Gestellten ohne weiteres möglich, sich eine eigene Wohnung zu leisten, dazu eine technisch aufwändige Inneneinrichtung mit Kühlschrank,
Waschmaschine, Spülmaschine Wäschetrockner, Tiefkühlschrank, Fernseher, Computer und Smartphone – die letzten drei Dinge oft für jedes Haushaltsmitglied extra. Zusätzlich macht man wenigstens
einmal im Jahr eine Flugreise zum günstigen Pauschaltarif. Auswärts bereitete warme Mahlzeiten, vorwiegend von häufig aufgesuchten Schnellrestaurants, oft auch mit Lieferservice sind ebenfalls
auf der Tagesordnung.
Ich frage hier ganz ruhig und ernsthaft nach: Sind das wirklich deutliche Anzeichen für hohe menschliche Entwicklung und Lebensqualität? Macht solcher Besitz wirklich glücklich und
zufrieden?
(billige Massenangebote: hier Fernreisen)
Damit bin ich dann doch wieder beim Thema angekommen:
Billige Massenangebote an Essen, Trinken, Unterhaltung, Einrichtungsgegenständen, Haustechnik, Kommunikationsmedien, Mobilität bis hin zu Fernreisen bilden die Basis für dieses Massengeschäft,
in dem Konsumenten und Anbieter auf allen Ebenen beteiligt sind – als Nutznießer, Täter und als Opfer zugleich – die staatlichen Organe und die Mediziner mit eingeschlossen.
Denn diese Art zu wirtschaften nimmt nicht gerade Rücksicht auf die natürlichen Bedürfnisse, Interessen, Möglichkeiten und Grenzen der beteiligten Menschen – noch weniger auf Tiere, Pflanzen,
Bodenschätze, Erdoberfläche, Ozeane oder Atmosphäre. Alle Letztgenannten werden in diesem Wirtschaftssystem bestenfalls als Verfügungsmasse betrachtet, als reine Dinge, über die man im Grunde
nach Belieben verfahren kann. Unsere Praxis der industriellen Landwirtschaft, Viehhaltung, Schlachtung und Verarbeitungsqualität – in Verbindung mit Landraub und Verarmung in anderen Gebieten
dieser Welt z. B. Durch Anbau von Pflanzen als Viehfutter – gepaart mit immensen Emissionen in der Größenordnung des gesamten motorisierten Verkehrs dieser Welt – hinzukommend Raubbau an den
Süßwasserreserven und Grundwasserbelastungen durch Pflanzengifte wie auch Tierexkrementen, die auf den Äckern entsorgt werden – nicht zuletzt die systematische Medikation, vor allem mit
Antibiotika mit paralleler 'Zucht' multiresistenter Mikroorganismen in den Körpern der industriell gehaltenen 'Nutztiere' – alles dies spricht eine recht herzlose, heillose, gewalttätige und
nicht zuletzt gedankenlose Sprache. Sind wir geistig wirklich so unterentwickelt und wähnen uns nur in einer 'hochentwickelten' Gesellschaft?
Probleme werden grundsätzlich nach außen hin verlagert; die weltweiten Entsorgungsprobleme auf allen Ebenen des Wirtschafts- und Privatlebens sprechen da eine überdeutliche
Sprache.
Das Grundthema ist hier Volkssucht und Dauererregung:
Ständig werden über alle nur denkbaren Kommunkationskanäle unsere niederen Impulse auf mehr oder weniger subtile Weise angesprochen ('angeregt' oder erregt), die uns unter Umgehung unserer
höheren Instanzen (Geist oder 'Vernunft') zu möglichst vielen Kaufakten animieren soll. Nach Sinn und Zweck wird hier nicht gefragt, sondern vorrangig nach Masse.
Anders gesagt: Was produziert bzw. angeboten wird, muss irgendwie den Menschenmassen 'aufs Auge gedrückt' werden – egal wie. Dazu gehört vor allem eine Umwertung früherer gesellschaftlicher
Werte und Moralvorstellungen – Sparsamkeit ist hier absolut unerwünscht; dabei ist sie eine Art übergeordnetes Grundgesetz der Ökologie. Alles was existiert, hat aus den wenigen erreichbaren
Ressourcen mit möglichst wenig Aufwand so viel Effekt wie möglich zu erzielen – mit der Maßgabe, dass dies dauerhaft funktioniert, damit die Art in ihrem Umfeld bestehen und sich langfristig
entwickeln kann. Entwicklung findet dabei über eine sehr große Anzahl von Generationen statt und nicht etwa im Laufe nur eines einzelnen individuellen Lebens.
Heute gilt es als angesagt, das einzelne Leben mit einer Unzahl von Akten vollzustopfen, die unsere Lebensstunden besetzen und weitgehend diktieren – scheinbar ist das Leben entweder nicht
endlich oder man muss sich wegen dessen Endlichkeit beeilen, um nichts zu verpassen. Das ist formal eine Art von Versklavung, ja von Selbstversklavung, denn letztendlich sind wir es, die stets
aufs Neue die Entscheidung treffen, ob wir 'zugreifen' oder nicht.
An dieser fortgeschrittenen Stelle meines Artikels will ich einmal ganz einfach nachfragen, was Sucht ist und wie sie funktioniert. Der Sache nach ist sie eine fehlgeleitete Suche oder ein
fehlgeleitetes Streben nach etwas. Die eigentliche 'natürliche' oder ursprüngliche Suche oder das Streben - oft genug frustrierend bzw. vergeblich - wird in einer Art von Übersprunghandlung auf
etwas anderes hin ausgerichtet; dabei wird es auf eine andere Ebene hin verlagert, wobei das ursprüngliche Ziel und das Streben dorthin mehr oder weniger aufgegeben wird.
Wie das funktioniert, war mir schon als vier- bis fünfjähriger Junge geläufig, also schon vor meinem Eintritt in das Schulalter. Nach Entdeckung des Mechanismus habe ich ihn aus eigener
Entscheidung auch bewusst ausprobiert und angewandt. So war ich 'dahinter gekommen':
War mein Wille nicht erreichbar oder durchsetzbar, weil er mit dem andersartigen Interesse z. B. meiner Mutter kollidierte, kam ich nicht zum Zuge, war frustriert, wütend, aber auch hilflos. Es
entluden sich heftige Emotionen. Von meiner Mutter bekam ich zur Ablenkung bzw. Entspannung Süßigkeiten angeboten. Ich nahm diese auch an und gleich zu mir. Das funktionierte: Ich wurde rascher
ruhig. Gleichzeitig aber fühlte ich tief im Inneren auch eine Wut auf mich selbst, dass ich mit der Person meines Konfliktes diesen 'faulen Frieden' schloss, wobei ich für ein rasches Gefühl von
Wohlsein den Einsatz für mein eigentliches Ziel aufgab und 'friedlich' war.
Dass dieses 'Friedlich-Werden' etwas mit den Süßigkeiten zu tun hatte, merkte ich sehr früh. Lieber leer ausgehen, aber mich dabei einigermaßen wohl fühlen – das war der hier wirksame
Mechanismus, der dabei zur Anwendung kam. Wohlgefühl durch Aufnahme einer Süßigkeit anstatt Wohlgefühl durch ein Erfolgserlebnis nach Erreichen eines eigenen Zieles! Das gute Gefühl ließ sich
augenblicklich erzielen – ich brauchte nur etwas Süßes zu mir zu nehmen. Keine Anstrengung, kein Risiko, keine Gefahr und auch keine Sorge vor eigenem Scheitern war mehr dabei!
Was mir Stärkere verwehrten, konnte ich mir also 'versüßen' und damit die Frustration scheinbar außer Kraft setzen. Doch dass dies nur ein billiger Trick mit Selbsttäuschung war, erfasste ich zu
meinem damaligen Leidwesen ebenso früh.
[i](Heute bin ich jedoch ausgesprochen glücklich darüber, dass sich mein gesundes 'Ur-Inneres' damals kritisch, wie ein 'Spielverderber', meldete und dieses von mir betriebene Suchtverhalten
heftig ablehnte - auch wenn es damals oftmals nur der 'Verlierer' im Alltag blieb.)
Ich lernte die Annahme der billigen Selbsttäuschung anstatt des hartnäckigen Vertretens meiner eigenen Interessen als 'brauchbare Lösung' meiner kindlichen Probleme zu Hause.
Es blieb aber stets das nagende Gefühl vom eigenen Selbstverrat und mit ihm eine immer wieder erlebte Beschädigung meines Selbstwertgefühls – vor mir selbst und auch von Seiten anderer. Vor
mir selbst, weil ich mich mit billigen Scheinlösungen abspeisen ließ und von Seiten anderer, weil ich es ihnen nicht wert schien, meine eigenen Interessen mit Nachdruck vertreten zu
dürfen.
So einfach funktioniert Sucht. Das Beispiel lässt sich auf fast beliebige Alltagssituationen von Menschen jeden Alters in beliebigen sozialen Konstellationen übertragen.
Unsere Wirtschaft befeuert unsere Süchte: Sie zeigt sie in ihrer Werbung nicht als Dummheit und Schwäche, sondern als menschlich, normal, allgemein, sympathisch – eben als erwünscht. Auf diese
Weise erteilt sie uns eine Vorab-Absolution (Vorab-Vergebung unserer 'Sünden') und ermuntert uns, dieses Spiel als allgemeines Gesellschaftsspiel mitzumachen – eben weil es ohnehin alle
'normalen' und sympathischen Menschen so 'machen'.
Dieser Mechanismus lässt sich keineswegs nur für Zwecke zum Verkauf von Genusswaren anwenden. Ein überwiegender Teil der allgemein verkauften Lebensmittel sind in der Art ihrer Zusammensetzung
und Verarbeitung psychogen wirksam und sprechen somit unsere Hirnzentren an, die (Erfolgs-) Belohnungen ausschütten – eben nur nicht durch Erzielen realer Erfolge im Lebensalltag, sondern
lediglich durch eine materiell erzielte (und mehr oder weniger bewusste) Selbstmanipulation der eigenen Wahrnehmung.
Bei dem Verkauf von Einrichtungsgegenständen, Haustechnik, Fortbewegungsmitteln, Urlaubsangeboten, Putz- und Waschmitteln – ja sogar von Medizin – werden ähnliche Selbsttäuschungsmechanismen
angesprochen, die uns einen viel höheren (oft ideellen!) Wert dieser Dinge suggerieren, als es der Realität entspricht. Meist geht es ganz einfach darum, ohne Mühe etwas erreichen zu können, was
ansonsten viel Arbeit und Zeit kosten würde – bei Ausbleiben von eigener und fremder Anerkennung für diesen (eigentlich notwendigen) eigenen Einsatz.
Die vielen Dinge sollen das Leben leichter, einfacher, überschaubarer und somit glücklicher machen.
Mit Blick auf die ständige Dauerverstopfung unserer Haushalte und Organismen mit dem industriellen Massen-Überangebot, auch mit den unglaublichen Müll- und Emissionsmassen, die damit einher
gehen, weiß eigentlich jeder, dass es so eigentlich nicht funktionieren kann – dass dies einfach ein Irrweg auf Basis von stillschweigender Massenübereinkunft in dieser Art von Selbsttäuschung
ist.
Unsere 'westliche' Alltagsrealität zeigt uns allerdings auch, dass sich dies irgendwie 'rechnet' – zumindest für diejenigen, die den größten materiellen Profit auf diese Weise erzielen. Doch
beneide ich die wirklich? Nein, ich bedaure sie im Grunde zutiefst; ich empfinde Mitleid mit deren Borniertheit, sich für so etwas herzugeben und die eigene Würde durch gelebte Dummheit vor sich
selbst und vor anderen zu verlieren. Das können Millionen oder Milliarden auf dem Konto niemals ausgleichen; Würde und Selbstwertgefühl sind nun einmal nicht durch Betrug und Selbstbetrug
erzielbar – nicht einmal zu bewahren. Deren Verlust ist durch nichts aufzuwiegen; diese Menschen können trotz allen Komforts und trotz aller formalen Macht diesen Mangel nicht beheben.
Sie sind ebenso Süchtige wie auch diejenigen, die sich von ihnen verführen lassen – ja die deren eigentliche Arbeitgeber sind, für die sie sich also als Werkzeug von deren niederen Antrieben
benutzen lassen.
Wenn ich im Titel zusätzlich noch von Dauererregung spreche, dann vor allem aus einem Grunde: Der ewige Wiederholungstäter ist die wirtschaftliche Idealfigur. Sie soll nie zufrieden sein und
nie zur Ruhe kommen. Sie soll stets bereit sein zum Zugreifen – wie zu einer Art von 'Dauer-Paarung' mit ihren von ihnen selbst bestellten und unterhaltenen Dauerverführern.
Man ist immer bedürftig, unter Strom, zum Zugreifen bereit – Hauptsache, man kommt einfach, mühelos und jederzeit an die Objekte der eigenen Begierden und zu dem erwünschten kurzen, billigen
Zufriedenheits-Kick.
Selbst die Sexualität ist als wirtschaftsfördernd erschlossen worden. Was 'sexy' daherkommt, verkauft sich besser. Auto, Urlaub, Smartphone, Eiweißshakes – alles in Verbindung gebracht mit
Attraktivität und Potenz.
(...am Eingang zu einer Diskothek gesehen...)
Ganze Gesellschaften süchtig und in Dauererregung: Das ist westliche Alltagsrealität und Normalität. Kein Weg führt an dieser Einsicht vorbei.
Doch genau dies ist der Schlüssel zur Selbstbefreiung: Ich selbst bin verantwortlich nicht nur für mich selbst, sondern mit meinen Entscheidungen auch wirkmächtig in Bezug auf meine Mitwelt.
Zum Glück habe ich die freie Entscheidungsmöglichkeit. Es ist nur die Frage, ob ich von ihr Gebrauch mache oder ob ich weiterhin die dumpfen Impulse greifen lasse, die mich in dieser süchtigen
Sumpfmasse festhalten – mein Selbstwertgefühl und meine körperliche wie auch geistig-seelische Gesundheit nach und nach ruinierend.
Es gibt diese Freiheit; schon ich als Vierjähriger habe von ihr (negativen) Gebrauch gemacht. Doch gleichzeitig habe ich auch ein Bewusstsein vom Falsch-Sein dieses Handelns entwickelt, das mich
indirekt aufforderte, es nicht auf diese Weise zu machen, wenn ich nicht selbst Schaden daran nehmen wollte.
Warum also diesen Faden nicht mit 'zarten' 63 Jahren wieder aufgreifen, fest halten und weiter spinnen? Ich mache schon seit vielen Jahren mit meinem privaten Wirtschaften wirksame Umweltpolitik
und Vertretung meiner ureigenen Interessen, wie ich es in ganz jungen Jahren eben nicht fertig brachte, weil ich mich verführen ließ, mich mit 'billigen', falschen Scheinlösungen zufrieden zu
geben.
Mag sich nun der Gedanke hinzu gesellen, dieses Engagement auch auf politischer Ebene fortzusetzen – als Multiplikator nicht nur im eigenen Familen- und Bekanntenkreis, sondern auch im Bereich
der näheren und ferneren Mitmenschen. Meine Blogs sind ebenfalls ein solcher Versuch, öffentlich tätig zu sein und dabei die eigenen Gedanken zu schärfen, zu klären und der Prüfung anderer offen
zu legen – verbunden dazu mit der Hoffnung auf einen lebendigen Gedankenaustausch in gegenseitiger Achtung. In diesem Sinne freue ich mich auf einen Gedankenaustausch mit den Lesern meiner
Artikel.
Zum Abschluss noch ein 'Schmankerl' aus der Wissenschafts-Show auf 3sat: die 20 größten Konsumsünden, auf die wir glauben, am wenigsten verzichten zu können. Die Ergebnisse wurden anhand einer
Publikumsbefragung ermittelt, an der viele Tausende teilgenommen hatten
Das Ergebnis überrascht mich wenig: Unter den TOP 10 der angegebenen Dinge finden sich gleich vier Dinge mit hohem Suchtpotential aus der Lebensmittelindustrie:
Platz 2: Kaffee
Platz 4 Süßigkeiten (auch Softdrinks und Schokolade)
Platz 6 Fleisch und Fleischprodukte
Platz 8: Alkohol
Den Spitzenplatz belegten 1. Elektroartikel, gefolgt außerdem von 3. Auto, 5. Fernsehen, 7. Smartphone, 9. Flugreisen und 10. Mode. Auch hier besteht ein erhebliches
Suchtpotential, wenn auch nicht auf körperlicher Ebene.
(außerdem folgten noch: Kosmetik, Schnittblumen, Wintersport, Haustierbedarf, Wassersport, Feuerwerk, Deko-Artikel, Schmuck, Kreuzfahrten und Plastikspielzeug.)
Hier der Link zur Sendung:
https://www.youtube.com/watch?v=3-P88paN9I8
Trotz einer über einstündigen Unterhaltungssendung ein nicht nur informativer, sondern auch anregender Beitrag, über den eigenen Konsum und damit auch über das eigene Suchtverhalten nachzudenken
- denn nichts von dem hier Gezeigten ist wirklich lebensnotwendig. Dafür aber bringt es an anderer Stelle dieser Welt viel Leid, wovor die Sendung die Augen nicht verschließt. Alle diese Dinge
füllen zudem nachweislich einen äußerst großen Anteil unseres Alltages, unserer Tagesstunden und vor allem unserer 'fünften Jahreszeit', unseres Urlaubes aus. Aber erfüllen sie uns wirklich???
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